Aus dem Buch von Angelika Kaddik - Wie aus Schmerzen Perlen werden
Jeder Trauernde muss alleine mit all dem Schmerz der Trauer fertig werden. Aber je mehr er von allen Seiten unterstützt wird, desto leichter wird es für ihn. Trauernde brauchen Begleitung.
Jemanden, der an ihrer Seite ist. Trauer benötigt Solidarität und ein Gegenüber. Für jeden Trauernden ist es wichtig jemanden zu haben, der ihn versteht. Eine vertraute Person oder eine
Gemeinschaft, die Kraft geben kann.
Jemand, der da ist und sich nicht abwimmeln lässt, wenn der Trauernde Nähe nicht ertragen kann. Jemand, der keine Ratschläge gibt, sondern dem Trauernden auf Augenhöhe begegnet. Jemand, der
Trauer aushalten kann und den Trauernden ermutigt, seine Trauer anzunehmen. Jemanden, mit dem man auch zusammen trauern kann.
So schwer die Trauer für den Trauernden ist, so schwer ist es oft auch für die Angehörigen, Freunde, Nachbarn und Kollegen, den Trauernden zu begegnen. Keiner weiss, wie ihnen zumute ist. Trauer
ist so schwer vorstellbar, wenn man es nicht selber erlebt hat. Aber selbst wenn man Trauer kennt, geht doch jeder Mensch seinen eigenen Trauerweg.
Das Wissen, dass jemand einen geliebten Menschen verloren hat, macht unsicher und bringt einen mit seiner eigenen Angst und der eigenen Endlichkeit in Verbindung. Manche Menschen können es
nur schwer aushalten, jemanden traurig oder weinend zu sehen, weil sie sich in dem Moment selber so hilflos fühlen und das Gefühl haben, etwas tun zu müssen, damit es besser wird. Sie möchten
gerne eine Lösung anbieten oder einen Ratschlag erteilen und sind dann enttäuscht, wenn der Trauernde abweisend reagiert.
Und so ist es gar nicht so ungewöhnlich, dasss die Trauernden oft das Gefühl haben, nicht verstanden zu werden. Sie haben das Gefühl, dass niemand so trauert wie sie. Und das stimmt ja auch. Die
eigene Trauer ist die schwerste, weil jeder um seine eigenen einzigartigen Menschen trauert, um das nicht mehr gemeinsame Leben und um sich selbst.
Trauernde Menschen brauchen Mitgefühl, Trost und Hoffnung, denn in ihrer Welt ist gerade nichts mehr, wie es einmal war. Im Folgenden finden Sie einige Hilfestellungen für den Umgang mit
trauernden Menschen, denn oftmals sind wir hilflos und wissen nicht, wie wir unterstützen und trösten können.
- Seien Sie da. Geben Sie dem Trauernden Ihre Aufmerksamkeit und zeigen Sie Ihre Anteilnahme. Sagen Sie, dass Sie traurig über den Tod des Verstorbenen sind, und fragen Sie immer wieder
nach, wie es dem Trauernden geht. Haben Sie keine Sorge, Wunden aufzureissen oder Trauer durch Nachfragen zu verstärken. Für viele Trauernde ist es geradezu erleichternd, über den Verstorbenen zu
sprechen, aber auch über das, was mit ihnen geschieht, was sie beschäftigt und wovor sie Angst haben. Reden zu können ist wichtig für den eigenen Verarbeitungsprozess.
- Versuchen Sie Sätze wie: "Es wird schon wieder" oder: "Er war ja schon so alt" usw. zu vermeiden, um damit die Schwere der Situation zu mindern. DaS Einzige, das beim Trauernden aus
solchen Sätzen ankommt, ist, dass er sich in seinem Schmerz und seiner Trauer nicht verstanden fühlt. Viel tröstlicher ist ein Satz wie: "Ich bin für dich da" ode: "Ich höre dir zu, erzähl mir,
was du denkst und fühlst."
- Schreiben Sie eine Trauerkarte, die vielleicht ganz anders ist als die üblichen Kondolenzschreiben und Beileidswünsche. Vielleicht finden sie ein schönes Gedicht oder Zitat und dazu ein par
persönliche Worte. Wenn ihnen aber die Worte fehlen, reicht auch ein "Ich denk an dich!".
- Sagen Sie, dass Sie für den Trauernden da sein möchten, und bitten sie darum, Ihnen mitzuteilen, was Sie tun können.
- Seien Sie da, auch wenn der Trauernde erst einmal alle Angebote zur Unterstützung ablehnt oder nichts Konkretes nennen kann.Gehen Sie immer wieder auf ihn zu und bieten Sie ihre Hilfe an. Das
kann auch etwas ganz Alltägliches wie einkaufen, kochen usw. sein.Wichtig ist, dass sie sich nicht persönlich abgelehnt fühlen, wenn der Trauernde ihre Hilfe gerade nicht annehmen möchte oder
kann. Bedenken Sie, dass Trauernde oft einfach keine Kraft haben, sich zu melden, oder das, was sie benötigen, in Worte zu fassen.
- Unterstützen Sie den Trauernden bei Behördengängen, den Vorbereitungen zur Trauerfeier oder anderen Dingen, die organisiert werden müssen. Begleiten Sie ihn beim Besuch auf den Friedhof.
Denken Sie daran, dss Sie auch nach der Beerdigung für den Trauernden da sind, denn dann beginnt die eigentliche Trauerzeit.
- Auch bei der Beerdigung können Sie für den Trauernden da sein. Fragen Sie, ob Sie in der Nähe sein sollen, um da zu sein, wenn Sie gebraucht werden.
- Sprechen sie immer wieder über den Verstorbenen und auch über die Erinnerungen, die Sie haben, und dass auch Sie ihn vermissen. Erzählen Sie gerne von kleinen, vielleicht nebensächlich
erscheinenden Anekdoten, über die man auch lachen kann.Denken Sie daran, dass man auch in tiefer Trauer Momente der Leichtigkeit spüren kann und darf. Dass kurze Trauerpausen dazu da sind, um
Kraft zu schöpfen. Hören Sie aber auch immer wieder zu, auch wenn der Trauernde die gleichen Geschichten wiederholt. Sagen Sie nicht:"Das hast du mir schon gesagt", sondern fragen sie nach. Für
den Trauernden ist das Erzählen nämlich jedes Mal ein Stück anders. Auch die Erinnerungen und Gefühle sind immer wieder anders, und so kann ein wichtiges Stück Trauerarbeit geleistet werden, bei
dem Sie den Trauernden unterstützen, indem Sie einfach nur zuhören.
- Sie können dem Trauernden seinen Schmerz nicht nehmen. Der Einzige, der das tun könnte, ist tot. Wichtig ist, dass der Trauernde seinen Gefühlen freien Lauf lassen kann und nicht das Gefühl
haben muss, Rücksicht auf andere nehmen zu müssen. Tränen sind wichtig und erleichternd, und je mehr sie unterdrückt werden, desto mächtiger drängen sie nach draussen. Geben Sie dem Trauernden
das Gefühl, sich Ihnen zumuten zu dürfen und dass alles seinen Platz hat und sein darf. DIese Situation ist so, wie sie ist: traurig, schmerzhaft, schlimm, fassungslos und unerträglich.
- Drängen Sie den Trauernden nicht etwas zu tun, von dem Sie meinen, dass nun der passende Zeitpunkt dafür wäre. Jeder Mensch trauert auf seine Weise und in seinem Tempo.
- Verschenken Sie ein Buch oder Musik zum Trösten oder eine Trauerperle als Anker des Trostes.
- Ermutigen Sie den Trauernden, sich Unterstützung von einem Trauerbegleiter oder einer Trauergruppe zu holen, oder sich im Internet mit anderen trauernden Menschen auszutauschen. Meistens ist
es so, dass sich Trauernde von anderen Trauernden am besten verstanden fühlen.
- Wenn der Trauernde möchte, dass die Kleidung des Verstorbenen aussortiert werden soll oder er die Wohnungseinrichtung verändern möchte, helfen sie ihm dabei. Vielleicht fällt es dem
Trauernden aber auch schwer, sich zu trennen und etwas zu verändern. Dann ist der richtige Zeitpunkt dafür einfach noch nicht gekommen. Bieten Sie an, einige Dinge in unterschiedlichen
Kisten zu sortieren, damit der Trauernde später entscheiden kann, was wirklich weg darf und was als Erinnerungsstück bleiben soll.
- Schreiben Sie auch nach der Beerdigung ab und an eine Grusskarte mit einem schönen Gedicht, Spruch oder einem Bild oder einfach ein SMS mit dem Hinweis, dass Sie gerade an den Trauernden
gedacht haben. Oder rufen Sie einfach einmal an!
- Überlegen Sie, bevor Sie dem Trauernden etwas anbieten, ob es für Sie gerade der passende Zeitpunkt ist und ob Sie selber genügend Kraft haben, einen Trauernden zu unterstützen. Bieten Sie
dem Trauernden nichts an und verabreden Sie sich nicht, wenn sie merken, dass Sie selber gerade an Ihre Grenzen kommen. Für Trauernde ist Beständigkeit in ihrem gerade unberechenbaren Leben
wichtig, um ein Stück Sicherheit spüren zu können.
- Machen Sie dem Trauernden keine Vorwürfe, obwohl Trauer unhöflich, ungerecht und wütend machen kann. Das, was gestern zählte, kann heute schon wieder ganz anders aussehen. Trauer bewirkt so
viele wiedersprüchliche Gefühle und Gedanken. Das verwirrt nicht nur die Trauernden, sondern auch ihr Umfeld. Das Leben des Trauernden ist völlig verändert und verändert somit auch den Blick für
das, was im Leben wirklich zählt. Alles andere scheint banal zu sein, denn für alle anderen, die nicht in der Situation sind, geht das Leben "normal" weiter. Für den Trauernden hat sich aber das
ganze Leben verändert. Für Immer! Vielleicht spüren aber auch Sie Ungeduld mit dem Trauernden in sich und haben Gedanken wie: "Irgendwann muss ja mal Schluss sein, andere in gleicher Situation
machen schon wieder dieses oder jenes". Ja das dürfen Sie natürlich auch denken und fühlen. Bedenken Sie aber, dass es Ihr Gefühl ist, und spüren Sie nach, was Sie in diesem Moment für sich tun
können. Sind sie vielleicht auch sehr traurig und brauchen Unterstützung? Tun Sie sich selber auch genug Gutes? Wichtig ist, dass Sie wissen,dass alles in dieser schweren Situation seinen Platz
haben darf, aber auch jeder seinen eigenen Trauerweg auf seine Art und in seinem Rhythmus gehen muss.