Die letzte Strophe
deines Liedes
war verklungen
als er deinen Namen rief
in uns jedoch wird's
nie verstummen
es singt ganz leise
seelentief.
Edith Maria Bürger
SCHLUSSSTRICH
Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.
Rainer Maria Rilke, 1875-1926
ABSCHIED
Ich wollte dir immerzu
viele Liebesworte sagen,
Nun suchst du ruhlos
nach verlorenen Wundern.
Aber wenn meine Spieluhren spielen
feiern wir Hochzeit.
Oh deine süssen Augen
sind meine Lieblingsblumen.
Und dein Herz ist mein Himmelreich...
Lass mich hineinschaun.
Du bist ganz aus glitzernder Minze
und so weich versonnen.
Ich wollt dir immerzu
viele Liebesworte sagen,
warum tat ich das nicht?
Else Laske Schüler
MÜDE
All' die weissen Schlafe
Meiner Ruh'
Stürzten über die dunklen Himelssäume.
Nun deckt der Zweifel meine Sehnsucht zu
Und die Qual erdenkt meine Träume.
O, ich wollte, dass ich wunschlos schlief,
Wüss' ich einen Strom, wie mein Leben so tief,
Flösse mit seinen Wassern.
Else Laske Schüler
ABENDS
Auf einmal musste ich singen -
Und ich wusste nicht warum?
- Doch abends weinte ich bitterlich.
Es stieg aus allen Dingen
Ein Schmerz, und der ging um
- Und legte sich auf mich.
Else Lasker-Schüler
ICH BIN TRAURIG
Deine Küsse dunkeln, auf meinem Mund.
Du hast mich nicht mehr lieb.
Und wie du kamst -!
Blau vor Paradies;
Um deinen süssesten Brunnen
Gaukelte mein Herz.
Nun will ich es schminken,
Wie die Freudenmädchen
Die welke Rose ihrer Lende röten.
Unsere Augen sind halb geschlossen,
Wie sterbende Himmel -
Alt ist der Mond geworden.
Die Nacht wird nicht mehr wach.
Du errinnerst dich meiner kaum.
Wo soll ich mit meinem Herzen hin?
Else Lasker-Schüler
GRABSCHRIFT
Im Schatten dieser Weide ruht
Ein armer Mensch, nicht schlimm noch gut.
Er hat gefühlt mehr als gedacht,
Hat mehr geweint als er gelacht;
Er hat geliebt und viel gelitten,
Hat schwer gekämpft und - nichts erstritten.
Nun liegt er endlich sanft gestreckt,
Wünscht nicht zu werden auferweckt.
Wollt Gott an ihm das Wunder tun,
Er bäte: Herr, o laß mich ruhn!
Marie von Ebner-Eschenbach, 1830-1916
MEINE MUTTER
War sie der große Engel,
Der neben mir ging?
Oder liegt meine Mutter begraben
Unter dem Himmel von Rauch -
Nie blüht es blau über ihrem Tode.
Wenn meine Augen doch hell schienen
Und ihr Licht brächten.
Wäre mein Lächeln nicht versunken im Antlitz,
Ich würde es über ihr Grab hängen.
Aber ich weiß einen Stern,
Auf dem immer Tag ist;
Den will ich über ihre Erde tragen.
Ich werde jetzt immer ganz allein sein
Wie der große Engel,
Der neben mir ging.
Else Lasker-Schüler
Wer einen wesentlichen Teil seiner selbst verloren hat, hat das Recht, sich leer und bedrückt zu fühlen.
Tabu Trauer
Trauer ist eine uns angeborene Fähigkeit, mit Verlusten umzugehen. Am klarsten benötigen wir sie, wenn nahe Menschen sterben oder beim Zerbrechen von Beziehungen.
Trauerzeiten können für Menschen sehr chaotische Erfahrungen beinhalten. Sie sind mit all ihrem Fühlen und Denken, mit Körper und Geist in dieses Geschehen involviert. Umso schwieriger ist es, wenn Trauernde im persönlichen Umfeld wie auch am Arbeitsplatz die Trauergefühle wegstecken müssen. Körperliche Beschwerden, Gefühlsschwankungen, Lebensängste und allgemeine Lustlosigkeit können die Folgen sein.
EIN EMOTIONALES ERDBEBEN
Geh nicht zu anderen, wenn das Leid dich schlägt,
das Menschen krümmt und wie ein Keil sie teilt;
geh nicht zu anderen: Gib die Kraft nicht her,
den harten Kern, aus dem du überlebst.
Und halt dein Haus instand, wie eh und je.
Geh nicht zu anderen: Denn ihr Blick verrät,
sie weigern sich zu sehen, was geschah.
Bald wühlt ihr Eifer sich durch deinen Schmerz.
Meid' ihre Regeln, meid' ihren Verdruss,
dass du dir offenbar nichts raten lässt.
Such Trost bei einem guten Freund, dir zugetan,
der dir nichts vorwirft, dich nichts fragt, nichts rät
und dich erträgt mit Tränen im Gesicht.
Der dich, selbst schweigend, sieht so wie du bist,
und spürt, dass, bebend noch, es aufwärtsgeht.
Ida M.Gerhardt
Aufhebung
Sein Unglück
ausatmen können
Tief ausatmen,
so dass man wieder
einatmen kann
Und vielleicht auch sein Unglück
sagen können
in Worten
in wirklichen Worten
die zusammenhängen
und Sinn haben
und die man selbst noch
verstehen kann
und die vielleicht sogar
irgendwer sonst versteht
oder verstehen könnte
Und weinen können
Das wäre schon
fast wieder
Glück
Erich Fried
..ICH BIN NICHT TOT...
Qui vuol mie sorte c'anzi tempo i' dorma:
Nè son già morto: e ben c' albergo cangi,
resto in te vivo, c' or mi vedi e piangi;
se l'un nell' altro amante si trasforma.
Qui son morto creduto; e per conforto
del mondo vissi, e con mille alme in seno
di veri amanti: adunche, a venir meno,
per tormen' una sola non son morto.
Michelangelo Buonarroti, 1475-1564 - Rime 194
hier in der Übersetzung:
Es sandte mir das Schicksal tiefen Schlaf.
Ich bin nicht tot, ich tauschte nur die Räume.
Ich leb in euch, ich geh in eure Träume,
da uns, die wir vereint, Verwandlung traf.
Ihr glaubt mich tot, doch dass die Welt ich tröste,
leb ich mit tausend Seelen dort, an diesem wunderbaren Ort,
im Herzen der Lieben. Nein, ich ging nicht fort,
Unsterblichkeit vom Tode mich erlöste.
Der Kummer über den Verlust eines Menschen gründet in der Liebe. Er ist die andere Seite der Liebe.
Du bist nicht mehr da, wo du warst,
aber du bist überall, wo wir sind.
Victor Hugo
Von der Lebensmitte an bleibt nur der lebendig, der mit dem Leben sterben will. Den das was in der geheimen Stunde des Lebensmittags geschieht, ist die Umkehr der Parabel, die Geburt des Todes.
C.G. Jung
Der Tod ist ein treuer Begleiter des Lebens und folgt ihm als sein Schatten. Man hat noch einzusehen, wie sehr Lebenwollen = Sterbenwollen ist.
C.G. Jung
Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust,
(Saint Exupery, Der kleine Prinz)